Vom Kühlschrank in den Backofen

Am Samstag scheint die Sonne, die Nordküste zeigt sich von ihrer schönen Seite

In Suances findet noch ein Tortilla-Wettbewerb statt, bei dem die 50 Teilnehmenden aus den gleichen Zutaten, nämlich Kartoffeln, Zwiebel, Eier, Salz und Olivenöl eine spanische Tortilla herstellen. Es duftet wunderbar. Quizfrage: wieviel Öl wird für eine Tortilla benötigt?

Unseren Entschluss, die Nordküste zu verlassen, setzen wir in die Tat um. Im Tal des Rio Besaya strampeln wir durch das Kantabrische Gebirge. Das Tal ist meistens so eng, dass neben dem Fluss, der Eisenbahnlinie gerade noch die Strasse Platz hat, bevor sich die steilen Hänge auf über 1000 m hochziehen. Die gut benutzte Autobahn verläuft meistens in einem anderen Seitental, so dass wir ungestört und gemütlich in die Berge strampeln können. Die letzten 5 km vor Reinosa mit einer Steigung von 9,5% liegen nicht mehr unbedingt in unserem Komfortbereich, aber auch das schaffen wir noch. Es sind schon ewige Zeiten her, dass wir auf fast 900 m übernachtet haben.

Offenbar ist Spanien von einem vielfältigen Netz von Jakobswegen durchzogen, denn wir radeln auf dem Camino de Ebro, der das Mittelmeer mit dem populären Camino Francés verbindet und somit unseren

6. Jakobsweg darstellt (Via de la Plata, Camino de los Osos, Camino Portugués, Camino Inglés, Camino del Norte). In der Nähe von Reinosa entspringt der Ebro, kurz danach wird er bereits zum ersten Mal gestaut, so dass wir nicht am Meer, dafür jedoch 30 km am Stausee entlang radeln.

Die ländliche Gegend ist kaum bewohnt, nur wenige kleine Orte liegen am See, viele Kühe und Pferde grasen auf den Weiden. Wettermässig frage ich mich, ob wir vom Regen in die Traufe gekommen sind: der Himmel ist grau, aber bis wir am frühen Nachmittag in Quintanaentello ankommen, scheint die Sonne.

Der nächste Tag soll strahlend schön werden. Erzähle ich etwa Mist?

Wir fahren in einem Seitental dem Ebro entgegen. Natur pur ist angesagt: tatsächlich strahlend blauer Himmel, kein Verkehr, einmal frühlingshafte gelbe Rapswiesen, dann wieder herbstlich ausgetrocknete braune Felder. Kiefernwald wechselt mit Buchen- und Steineichenwald ab, Grillengezirpe, Vogelgetschwitscher und Bienengesumme, und zu allem Überfluss verläuft das Strässchen hauptsächlich bergab, ein voller Genuss.

In Manzanedo treffen wir wieder auf den Ebro, der mittlerweile an Grösse schon ganz schön zugelegt hat und sich wenig später durch eine tiefe Schlucht windet. Hoch droben kreisen haufenweise (Bart? oder Pleite?) Geier. Wir folgen dem Ebrolauf, mal am Ufer entlang, mal auf Distanz, mal an sommerlich gelben, reifen Getreidefeldern vorbei, immer durch eine äusserst friedliche, reizvolle, eindrückliche Landschaft. Leider müssen wir am Nachmittag das faszinierende Ebrotal verlassen, da sich unser weiterer Routenverlauf nach der Unterkunft richtet, und die ist in Oña, einem Seitental.

Dieses verlassen wir aber am nächsten Morgen wieder, um zusammen mit dem Ebro die enge Schlucht bei Trespaderne zu passieren.

Wir befinden uns nun in einem riesigen Talkessel, sind umrundet von Bergen, die knapp

1500 m hoch sind. Die Landschaft ist ein Mosaik aus Wald, reifen Getreidefeldern, noch nicht oder erst vereinzelt blühenden Sonnenblumenfeldern.

So radeln wir ganz locker mehr oder weniger dem Ebro entlang, nähern uns dem Talabschluss und ich befürchte noch eine happige Bergetappe, denn irgendwie müssen wir ja die Berge überqueren. Aber welch eine Überraschung: die Strasse schlängelt sich zusammen mit dem Ebro, der hier bereits zum 3. Mal aufgestaut ist, zwischen den Bergen hindurch.

Für die Strasse gibt es den einen oder anderen Tunnel, so wird aus einer befürchteten Überquerung eine bequeme Durchquerung.

Trotzdem brauchen wir für die Passage ziemlich viel Zeit, denn immer wieder halten wir an, um die Landschaft zu bestaunen und die äusserst friedliche Stimmung aufzunehmen.

Nach der Staumauer weitet sich das Tal, das wir in der flimmernden Mittagshitze herunter pedalen.

Bei 37 Grad erreichen wir Miranda de Ebro und unsere Herberge, ein Hostal in einem Konvent, liegt natürlich auf einem Hügel.

Was schätze ich die dicken Steinmauern dieses alt-ehrwürdigen Gebäudes, die eine angenehme Temperatur bewahren, gerade richtig für eine Siesta. Nach 21.00 erwacht auch das Leben im Städtchen, bei 28 Grad lässt es sich genüsslich eine Glace schlecken oder noch eine Erfrischung trinken. Das ist Sommer!

Miranda als Industriestadt und Verkehrsknotenpunkt ist keine speziell schöne, dafür aber eine zweckmässige Stadt.

So nutzen wir die guten Verkehrsverbindungen zu einem Tagesausflug nach Burgos und nach Bilbao.

Mit dem Schnellzug Vitoria - Madrid überwinden wir die etwa 100 km bis Burgos in knapp 1Std. Die Fahrt ist kurzweilig, sie führt durch die Kornkammer Spaniens, Getreidefelder so weit das Auge reicht. Beim Halt in Burgos staunen wir nicht schlecht, der vor 5 Jahren neu erbaute Bahnhof liegt ca. 5 km ausserhalb der Stadt.

Unser Hauptziel ist die Kathedrale, wo wir uns auch noch einen Pilgerstempel holen.

Die Kathedrale wurde als erste Gotische Kirche in Spanien nach französischem Vorbild gebaut und ist mit ihrem hellen Stein, den unzähligen Kapellen und Altarbildern äusserst lohnenswert zu besichtigen.

Auf dem Platz vor der Kathedrale hat es fast so viele Pilger wie in Santiago, verläuft hier doch der meist begangene Camino Francés.

Wir bummeln durch die Altstadt, an der Flusspromenade entlang,

Bruno steigt noch zum Schloss hoch, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Mit dem ersten Bus um 10.30 fahren wir nach Bilbao. Die fast 100 km führen überwiegend durch die Berge, ausser Kiefern und Laubbäumen sehen wir auf der ganzen Fahrt nicht sehr viel mehr.
Die freundliche Dame von der Touristeninformation am Busbahnhof liefert uns die wesentlichsten Informationen für einen Kurzbesuch von Bilbao.

So ist unser erstes Ziel das Guggenheim-Museum, aus zeitlichen Gründen begnügen wir uns mit einer Besichtigung von aussen, ein sehr fantasievolles und beeindruckendes Gebäude.

 

Wir bummeln an der Ria entlang, vorbei an einer schwungvollen Fussgängerbrücke.

Die charmante Altstadt mit ihren engen Gassen, vereinzelten Plätzen, vielfältigen Läden (darunter ein schöner Desigual-Laden für dich, Regula), Tapasbaren und Konditoreien lädt sie zum gemütlichen Verweilen ein.

Mit dem letzten Zug um 17.00 kehren wir wieder nach Miranda zurück. Zum Glück sind wir früh genug am Bahnhof, es gibt nicht nur zwei verschiedene Abfahrtshallen, nein, auch jede Zugsgesellschaft hat ihren eigenen Fahrkartenverkauf, und die Fahrkarte ist nur für den angegebenen Zug gültig. Bilbao macht ihrem Namen als eine der regenreichsten Städte in Südeuropa alle Ehre: wir sitzen im Zug und es fängt an zu regnen.

Die Zugstrecke verläuft wesentlich abwechslungsreicher und interessanter als die Autobahn.

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