Das nördliche Ende von Spanien

Ein Sonntagmorgen ist immer angenehm zum Radeln, es hat wenig Verkehr und irgendwie ist die Stimmung auch anders als an Werktagen. So auch heute. Die Sonne ist angenehm, ebenso die Strecke.

Mal gehts durch duftenden Eukalyptuswald,

mal mehr am Meer entlang, mal mit gut zu bewältigenden Steigungen aufwärts, mal mit erholsamen Abfahrten runter.

So um die Mittagszeit erreichen wir O Barqueiro, von wo aus wir den Abstecher zur Estaca de Bares machen, dem nördlichsten Zipfel von Spanien. Sowohl am südlichsten Punkt von Spanien, in La Restinga auf El Hiero, wie auf dem höchsten Punkt, dem Teide, sind wir schon zu Fuss gewesen, fehlen noch der westlichste, Sabinosa auf El Hiero und der östlichste auf Menorca.

Bis zum nördlichst gelegenen kleinen Hotel Semáforo de Bares mit seinen sechs speziellen Zimmern und seinem Steingarten müssen wir noch ganz schön strampeln, liegt es doch wie ein Adlerhorst auf einem recht steilen Hügel 210 m über dem Meer.

Dafür werden wir mit einer 360 Grad-Rundumsicht belohnt, wir blicken auf verschiedene Buchten und Landzungen herab sowie aufs offene Meer hinaus.

Der grosse Besucheransturm ist eher im Winter, so  sind wir in unserem Nebenhäuschen mit seinem verglasten Läubeli (Balkon) alleine. Welch himmlische Ruhe hier herrscht in der Nacht! Und tagsüber ist neben Vogelgezwitscher und Insektengebrumme auch nicht viel mehr zu hören.

Am Dienstag verlassen wir diesen Kraftort und radeln bei hoher Luftfeuchtigkeit und tief hängenden Wolken weiter ostwärts. In Porto Barqueiro herrscht gerade Ebbe, 3 Brücken überqueren die Bucht: eine Eisenbahnbrücke, eine Fussgängerbrücke, eine Autobrücke.

Die Landschaft bleibt sich ähnlich - Eukalyptuswälder, bis wir in San Cibrao zum ersten Mal ans offene Meer kommen und der Uferstrasse entlang bis Burela radeln.

Das Wetter ändert sich auch am Mittwoch nicht, ich komme mir vor wie im November an der Nordsee. Bis wir die Bucht von Foz umradelt haben müssen wir auf der N642 bleiben, danach gibt es kleine Strässchen nahe am Meer entlang durch leere, verstreute Feriensiedlungen hindurch. Jetzt sind wir fast alleine unterwegs, so hab ichs gerne: lange schöne Sandstrände, durch Felsen unterteilt, das offene Meer. Während der Saison sieht es hier vermutlich anders aus, wenn all die Ferienhäuser bewohnt und die Strandrestaurants offen sind. Übrigens besitzt jeder spanische Haushalt 1,5 Wohnungen, d.h. neben einer Stadtwohnung haben viele Spanier noch eine Wohnung am Meer, das erklärt die vielen leer stehenden Häuser in Ferienregionen.

Die grosse Ungewissheit des heutigen Tages besteht in der Frage, ob es über die Bucht von Ribadeo neben der Autobahnbrücke auch eine Überquerungsmöglichkeit für Fussgänger und Velofahrer gibt. Zum Glück ja, allerdings keine für nicht Schwindelfreie! Ein knapp 1 m breiter Weg verläuft neben der Autobahn, abgetrennt durch ein Gitter, zum Abgrund hin lediglich durch ein Geländer. Auto um Auto, LKW um LKW donnern an uns vorbei, bei jedem LKW vibriert die Brücke. Mit relativ sturem Blick geradeaus schiebe ich mein Velo über die 600 m lange Brücke, zwischendurch wage ich doch auch mal einen Blick auf den ca. 50 m unter mir fliessenden Rio Eo, den Grenzfluss zwischen Galizien und Asturien, der Heimat der neuen spanischen Königin. Dank dieser Fussgängerspur neben der Autobahn ersparen wir uns 30 km Buchtumrundung. Nun treffen wir auch wieder auf Pilger, denn ab Ribadeo befinden wir uns wieder auf dem Jakobsweg, dem Camino del Norte.

Tapia heisst unser heutiges Tagesziel, ein netter Ort mit noch vielen leeren Restaurants um den Hafen.

Endlich scheint mal wieder die Sonne, dann sieht die Welt und damit auch die Küste und das Meer doch gleich ganz anders aus.

Wir radeln heute auch viel auf Nebenstrassen durch ländliche Gebiete mit grossen Maisfeldern und Weiden, auf denen häufig schwarz-weiss gefleckte hornlose Milchkühe grasen. Asturien produziert viele Milchprodukte. Wir fühlen uns fast wie daheim, es riecht intensiv nach Bschütti (Jauche).

Wir erreichen Puerto de Vega, einen kleinen Hafenort, eingebettet oder, je nach Standpunkt, eingeklemmt zwischen Klippen, mit einem sehr verwinkelt angelegten Hafen.

Über weitere Klippen und Buchten und immer wieder vorbei an wunderschönen Hortensienzäunen,

erreichen wir Luarca, auch dies ein malerisch gelegener Ort zwischen und an Klippen.

Hoch droben, dem Himmel schon etwas näher, liegt der Friedhof mit Blick aufs offene Meer.

Noch ein letztes Stück auf der N634 durch einen erfrischenden Mischwald, und wir erreichen unser Hotel, das irgendwo in der Pampa unter einer Autobahnbrücke liegt. Von unserem Balkon aus haben wir Sicht auf die eindrückliche Brücke sowie aufs nahe gelegene Meer.

8:00 der Wecker holt mich aus meinen Träumen. Aber dann denke ich, ich träume, wenn ich zum Fenster hinaus schaue. Weder die Wetterprognose noch das Regenradar zeigen einen Regentropfen, aber vor unserem Fenster hat es ganz viele. Wir lassen uns Zeit mit unserem Morgenkaffee, aber auch das ändert das Wetter nicht. So müssen wir Schönwetterpilger unsere Regenkleidung mal wieder testen, ob sie noch wasserfest ist.

Canero, unser Übernachtungsort, liegt offensichtlich in einem Regenloch, denn schon nach

10 km ist und bleibt es trocken.

Eins allerdings behält recht: das Höhenprofil. Während sich die Autobahn mit gleichmässiger Steigung am Bergrand hinzieht, die Täler mit riesigen Brückenkonstruktionen überspannt werden, dürfen die wandernden und radelnden Pilger in alle Täler hinunter und natürlich wieder auf alle Hochflächen hinauf. Auf den Hochflächen liegen kleine Weiler, die meisten mit Meerblick, ab und zu mal eine Bar oder Übernachtungsmöglichkeit, aber ansonsten gibt es keine Infrastruktur. Dafür hat es auch sehr wenig Verkehr dank den häufigen Autobahnauffahrten.

Die meiste Zeit verbringen wir in abwechslungsreichem Mischwald, bei den längeren Anstiegen bleibt Bruno noch genügend Puste, um mir etwas Nachhilfe über die Flora am Wegesrand zu geben: Königsfarn, Rippenfarn, Hirschzunge, Venushaarfarn, Adlerfarn, Wurmfarn, gemeiner Frauenfarn, schwarzer Streifenfarm. Immerhin Akelei und Spitzwegerich kenne ich.

Mindestens ein Dutzend Täler und Höhen passieren wir, der letzte Aufstieg ist dann noch recht schweisstreibend: 4 km aufwärts, 8% Steigung, wenige hundert Meter gerade aus, dann auf 3 km alles wieder runter, und endlich erreichen wir das festlich geschmückte Cudillero. Hier verbringen wir ein hoffentlich geruhsames Wochenende, denn es wird das Fest San Pedro gefeiert mit Prozession, Musik, Tanz und Rummelplatz.

Begleitet von Dudelsackmusik darf San Pedro einen Blick auf die verregnete Gemeinde werfen.

Im nachmittäglichen Sonnenschein verschaffen wir uns einen Überblick über das Städtchen und seine Umgebung.

Sonntag der 29. ist der grosse Festtag zu Ehren von San Pedro. Nachdem bis morgens um 4:00 das ganze Städtchen unter nicht zu überhörender Musikbeschallung steht, benötigt es schon zig Böllerschüsse, damit alle rechtzeitig zur Prozession erscheinen.

Von der langen Rede verstehen wir lediglich einzelne Worte, da sie in Dialekt gehalten ist.

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Kommentare: 2
  • #1

    Jane (Freitag, 04 Juli 2014 23:31)

    Hatte endlich mal wieder Zeit euer Nomadenleben anzusehen. Was für tolle Bilder, tolle Landschaft. Habt ihr schon Hornhaut auf den 4 Buchstaben?

  • #2

    Schmid Romi (Sonntag, 06 Juli 2014 19:32)

    Hallo zusammen, ich komme wieder einmal dazu, die Blogs zu lesen. Ich habe grossen Respekt von euren Tagesstrecken.aber definitiv nichts für mich. Das es so viele Farn gibt hat mich sehr erstaunt. Ich hoffe sehr das ihr nun auch Sommerwetter habt. Alles gute für eure nächsten Etappen. Romi