Santiago - Cariño

Auf der sehr gut ausgebauten und daher sehr stark befahrenen N550 radeln wir nach Norden. Leider benutzen wenige LKWs die gebührenpflichtige Autobahn nach A Coruña, so donnern viele Brummis an uns vorbei. In Méson do Vento, das immerhin auf 460 m liegt, zweigen wir auf eine schönere, ruhigere Nebenstrecke ab und fahren mal wieder zwischen leuchtend gelben Blumenwiesen hindurch, an den Strassenrändern blüht üppig roter Fingerhut.

Ich freue mich schon auf die Abfahrten, denn schliesslich liegt Betanzos, unser Tagesziel, fast am Meer. Aber ha, ha, ha, das Meer liegt hinter den sieben Bergen ....

Betanzos liegt auf mindestens drei Hügeln, die Altstadt hält für die 13'500 Einwohner vier Kirchen bereit. Speziell sind die Häuser mit ihren verglasten/verschalten Balkonen und die Lauben, unter denen es zahlreiche Bars und Cafés hat. Die Topografie des Ortes ist recht unüberschaubar, so haben wir am nächsten Tag etwas Mühe, auf Anhieb unseren weiterführenden Weg zu finden.

Aber auch das schaffen wir und so strampeln wir mal wieder munter und vergnügt von Hügel zu Hügel, von Küste zu Küste,

bis wir die Hafenstadt Ferrol erreichen. Hier beginnt der Camino Inglés, so genannt, da früher Pilger aus England, Irland oder Skandinavien mit dem Schiff in diesem Hafen angekommen sind. Heute stellt er die kürzeste anerkannte Pilgerroute dar, da es von Ferrol bis Santiago gerade die geforderten 100 km sind, die es braucht, um die Pilgerurkunde zu erhalten.

Riesige Kräne, Frachtschiffe, Kriegsschiffe kennzeichnen das Hafengebiet, ein grosser Teil ist militärisches Sperrgebiet.
Eine Stadt zum Übernachten, basta.

Bedeckter Himmel, Temperaturen um die 20 Grad, es herrschen ideale Bedingungen für unsere Weiterreise. Nach Ferrol nimmt der Verkehr immer mehr ab, vor allem Brummis hat es keine mehr, so dass wir entspannt durchs Land radeln können. Ich geniesse den Duft der nicht einheimischen Eukalyptuswälder. Die Einheimischen haben keine Freude an ihnen, benötigt doch der schnell wachsende Baum bis zu 500 Liter Wasser pro Tag, er verändert Flora und Fauna sowie den Grundwasserspiegel, aber in der Papierindustrie ist er sehr beliebt. Nordportugal sowie Galizien sind die wichtigsten Zelluloselieferanten Europas.

Riesige Hortensienbüsche in den unterschiedlichsten Farben gehören fast zu jedem Haus.

Jetzt wird auch die Landschaft wieder abwechslungsreicher und es entschlüpft mir so manches "wau" und " ooh" beim Blick auf bezaubernd türkisblaue Küstenabschnitte.

Unser Tagesziel Cedeira liegt an einer schön geschwungenen Bucht, doch ups, nach dem Mittagessen fehlt ihr das Wasser, der Tidenhub beträgt 2,60 m. Hab ich mich doch noch gewundert, weshalb der Hafen so weit ausserhalb vom Dorf liegt, jetzt ist der Groschen gefallen.

Trotz bedecktem Himmel: von der Stirne heiss rinnt der Schweiss auf unserer Bergetappe.

Wir befinden uns auf einem alten Pilgerweg, dem Camino Apostól, der San Andrés de Teixido mit Santiago verbindet. Bevor ihm der heutige Jakobsweg den Rang abgelaufen hat, war dies der bedeutendste Pilgerweg. Jeder Galizier sollte ein Mal in seinem Leben nach San Andrés pilgern.

Nachdem wir keine Galizier sind lassen wir San Andrés links liegen und zwar aus praktischen Gründen: die Abfahrt über 200 Höhenmeter wäre sicherlich angenehm, aber wir müssten sie auch wieder zurück radeln und die Steigung ist für meine schwachen Müskeli gerade so grenzwertig.

Unser Ziel sind die höchsten Klippen von Europa, von 620 m Höhe blicken wir aufs Meer hinunter und aufs offene Meer hinaus.

Vale la pena! (Die Schinderei hat sich gelohnt) leider mit trüber Aussicht.

Auf dieser Höhe sind wir bereits schon 200 m über der Baumgrenze. Die steinigen Weiden mit Kühen, Pferden und Windrädern erinnern an heimische Alpweiden.

Unsere Talfahrt ist kurz und rassig, schnell sind wir durch den Eukalyptus-Adlerfarn-Wald in Cariño angekommen.

Bei herrlichem Sonnenschein geniessen wir ein ausgewogenes Frühstück an der Strandpromenade: Pfirsichsaft, Kirschen, Baguette.

So gestärkt nehmen wir das Cabo Ortegal unter die Räder, ein nahe gelegener Aussichtspunkt (7km). Letzte (?) Morgennebel ziehen vom Meer her über das Dorf.

Kontinuierlich steigt die Strasse an, bis sie in einer Schussfahrt mit 11% Gefälle am Cabo Ortegal endet.

Die letzten Morgennebel entwickeln sich zu Dauernebel, die Aussicht ist begrenzt, aber mit einem mystischen Einschlag. Offensichtlich ist dies nicht aussergewöhnlich, denn die Fotos der Tourismusbüro-Broschüre sehen ähnlich aus.

Auf dem Rückweg verwandeln sich die 11% Gefälle in 11% Steigung, mit Hängen und Würgen, mit Stöhnen und Ächzen schaffe ich die Steigung.

Bis wir wieder Cariño erreichen sind wir eingenebelt, Grund, uns in unser Büro zurück zu ziehen und den Blog zu aktualisieren.

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Kommentare: 1
  • #1

    Schmid romi (Sonntag, 22 Juni 2014 19:11)

    Hallo ihr zwei, jedesmal, wenn ich ganz gespannt eure blogs lese, bin ich sehr beeindruckt. Wenn ich nur die bilder sehe wird es mir ganz anders. Niemals würde ich solche tage durchhalten. Alle Achtung. Ich wuensche euch weiterhin neben Anstrengung auch viel Spass. Eine gute Zeit Romi